„Wir können den Wind nicht ändern – aber die Segel anders setzen.“ Dieses Zitat von Aristoteles bringt die Haltung, mit der wir auf „Meine Station“ angetreten sind, auf den Punkt. Wir möchten das System von innen heraus, aus eigener Kraft, verändern. Wir sind davon überzeugt: Alles, was wir dafür brauchen, haben wir bereits – oder wir sind bereit, es zu lernen. Unsere Segelreise haben wir nicht nur mit Spannung erwartet, sondern auch gut vorbereitet. Denn wir wollen einen Unterschied machen, der spürbar ist – für uns und unsere Patient:innen. Wir wollen zeigen, dass New Work im Gesundheitswesen gelingen kann. Was wir von Anfang an im Gepäck hatten: Offenheit, Neugier – und damit auch eine gewisse Portion Unsicherheit.
Moment mal – Unsicherheit? Im Gesundheitswesen? Können wir das verantworten?
Diese Fragen, bzw. das Spannungsfeld Sicherheit / Unsicherheit stehen im Mittelpunkt dieses Beitrags. Denn um zu verstehen, wie wir auf „Meine Station“ handeln und entscheiden, spielt dies eine zentrale Rolle. Blicken wir nochmals auf das anfangs erwähnte Segelboot:
Wir als Team setzen die Segel – gestalten Abläufe, schaffen Strukturen und treffen Entscheidungen, gemäß unserem gemeinsamen Ziel.
Wir nutzen den Wind und manchmal trotzen wir ihm auch, indem wir gegen Widerstände kämpfen, mit denen wir vorher nicht gerechnet haben.
Wir haben das Wetter, den Seegang und mögliche Gefahren bestmöglich im Blick und beziehen diese in die Wahl unserer Reiseroute und die vielen täglichen Entscheidungen an Bord mit ein.
Wir haben von Anfang an gelernt, Unsicherheiten in Bezug auf unsere selbstorganisierte Zusammenarbeit auszuhalten – denn niemand vermochte den Verlauf unseres Modellprojektes vorauszusagen. Gleichzeitig haben die Genesung und die Sicherheit unserer Patient:innen oberste Priorität. Neues auszuprobieren und zu experimentieren dient immer dem Ziel, unseren Patient:innen die bestmögliche und sichere Versorgung zu bieten, der sie vertrauen können.
Wie integrieren wir dieses Spannungsfeld in unser tägliches Tun?
Im Rahmen unseres integrativen Entscheidungsprozesses spielt der Sicherheitsaspekt eine zentrale Rolle. Im sogenannten Governance (Steuerungs-) Meeting kann jede:r von uns konkrete Vorschläge einbringen, wie Strukturen, Abläufe, Regeln oder Rollen beschrieben oder verändert werden können. Jedes Teammitglied kann nach einem festgelegten Ablauf klärende Fragen stellen sowie Feedback und Anregungen zum eingebrachten Vorschlag geben. Was dann folgt, ist die sogenannte Einwandrunde (SETT-Runde).
SETT ist eines unserer zentralen Prinzipien. Es bedeutet „Safe enough to try“. Jedes Teammitglied nimmt den eingebrachten Vorschlag kritisch unter die Lupe, indem es sich fragt:
Ist ein Sicherheitsrisiko, eine mögliche Gefahr mit der Umsetzung des Vorschlags verbunden?
Wirft uns der Vorschlag zurück, statt uns voranzubringen?
Verspürt ein Teammitglied eine Spannung mit dem Vorschlag, gilt es selbstreflektiert zu unterscheiden: Wird der Vorschlag lediglich persönlich nicht gemocht oder kann ein konkreter möglicher Schaden benannt werden? Nur, wenn ein wirkliches Sicherheitsrisiko identifizierbar ist, ist im Rahmen der SETT-Runde ein Einwand möglich. Der Einwand wird dann integriert und der Vorschlag entsprechend angepasst.
Hier ein paar Beispiele für Sicherheitsrisiken, die wir in unseren Governance Meetings bereits benannt haben:
Die Kosten für eine vorgeschlagene Modernisierung sind noch nicht abschließend geklärt und könnten im Rahmen der Durchführung aus dem Ruder laufen.
Die Besetzung einer Rolle erfüllt die rechtlichen Voraussetzungen nicht. Dies gefährdet die Patient:innensicherheit.
Die Aufgaben einer Rolle sind nicht klar genug definiert. Daraus folgen Unsicherheiten bei der Wahrnehmung der Verantwortlichkeiten sowie eine Gefährdung des Arbeitsablaufs und der Patient:innenversorgung.
Gibt es keine sicherheitsrelevanten Einwände, gilt der Grundsatz: „Good enough for now“. Übersetzt auf unser Segelboot bedeutet das: Frohen Mutes – aber auch sehenden Auges – damit lossegeln!
Selbst, wenn die Lösung noch nicht perfekt ist, sichern wir durch Ausprobieren und Nachsteuern unseren kontinuierlichen Fortschritt. So werden Verbesserungen möglich, die letztlich denjenigen zu Gute kommen, für die wir in See gestochen sind: unseren Patient:innen.