Herr Dr. Fleckenstein. Sie sind seit Beginn der Partnerschaft mit Viktoria Aschaffenburg dabei. Wie ist die Kooperation entstanden und wie sieht sie heute aus?
Dr. Stefan Fleckenstein: Der Grundstein wurde 2016 gelegt, als wir einen verletzten Spieler der Viktoria bei uns in Behandlung hatten. Diese Behandlung ist sehr gut gelaufen, sodass der Verein mit dem Vorschlag auf uns zukam, auch weiterhin zusammenzuarbeiten. Das war der Beginn der Kooperation. Dann stiegen mit dem Aufstieg in die Regionalliga 2017 auch die medizinischen Anforderungen an den Verein: Eine Voraussetzung für die Spielerlaubnis in der Regionalliga ist die Sporttauglichkeitsuntersuchung vor der Saison, die wir seither durchführen. Außerdem müssen die Gastgeber-Vereine an Spieltagen die Anwesenheit eines Mediziners vor Ort gewährleisten.
Mittlerweile ist eine Partnerschaft entstanden, in der wir unseren Beitrag dazu leisten, dass verletzte Spieler wieder fit werden, sich weniger Spieler verletzen und in Zusammenarbeit mit dem Team, bestehend aus dem Trainerstab, allen voran Cheftrainer Jochen Seitz, und den Physiotherapeuten, eine Individualisierung des Trainings organisiert werden kann. Ich bin seit Beginn der Zusammenarbeit dabei und wurde dabei jedes Jahr von einem Kollegen unterstützt. Seit letztem Jahr ist Manuel Bachmann mit dabei, der in der Zeit vor seiner Tätigkeit im Klinikum Aschaffenburg-Alzenau bereits Erfahrung in der Sportmedizin in Magdeburg sammeln konnte.
Herr Bachmann, beschreiben Sie die Zusammenarbeit aus Ihrer Sicht:
Manuel Bachmann: Die Kooperation ist eine Win-Win-Situation: Wir erweitern unsere Erfahrung als Sportorthopäden, bilden uns in diesem Zusammenhang auch fort und haben zum Beispiel beide das „Fifa Diploma In Football Medicine“ erlangt. Viktoria Aschaffenburg hingegen erfüllt mit der Kooperation nicht nur die Anforderungen eines Regionalligisten, sondern hat darüber hinaus einen zuverlässigen und hochkompetenten Partner an seiner Seite, der die komplette Bandbreite aller für einen Fußballverein medizinisch relevanten Bereiche abdeckt: Neben der CK II übernimmt ja auch die MK I einen Teil der Untersuchungen z.B. im Zuge der Saisonvorbereitung. Außerdem stoßen wir Mannschaftsärzte Projekte an, um die medizinische Infrastruktur des Vereins zu verbessern.
Kann man sich die Situation also folgendermaßen vorstellen: Ein Spieler verletzt sich und wird dann so schnell wie möglich im Klinikum behandelt und operiert?
Manuel Bachmann: Wir stehen Spielern mit unserem medizinischen Rat zur Seite. Verletzt sich ein Spieler - zum Beispiel im Training - bekommen wir einen Anruf und organisieren dann schnellstmöglich einen MRT-Termin oder die notwendigen klinischen Untersuchungen. Wir knüpfen unsere medizinische Versorgung dann an die Erstversorgung der Physiotherapeuten an, mit denen wir stetig im Austausch sind, und beraten den Spieler, welche Behandlungsmöglichkeiten es gibt.
Dr. Stefan Fleckenstein: Geht es um eine leichtere Verletzung setzen wir die Behandlung dann prinzipiell auch fort, bis der Spieler wieder einsatzbereit ist. Und auch bei schwereren Verletzungen, die eine OP erfordern, können wir als Unfallchirurgen und Sportorthopäden den Spieler im Klinikum operieren.
Wichtig ist allerdings: Die Entscheidung, wo der Spieler sich behandeln und operieren lässt, liegt natürlich bei ihm selbst. Die Kooperation schränkt die Spieler also nicht in Ihrer Entscheidungsfreiheit ein. Ganz im Gegenteil. Unsere medizinische Einschätzung soll dem Spieler helfen, für sich die richtige Entscheidung zu treffen.
Hamza Boutakhrit z.B. hat sich nach seinem Achillessehnenriss vergangene Saison für eine Operation im Klinikum Aschaffenburg-Alzenau entschieden und steht der Mannschaft nach gutem Heilungsverlauf wieder zur Verfügung. Andere Spieler entscheiden sich für einen anderen Arzt Ihres Vertrauens. Wir freuen uns immer, wenn ein Spieler nach einer schweren Verletzung wieder mit der Mannschaft trainieren oder spielen kann.
Thema Verletzungsprävention: Sie haben das Thema Verletzungsprävention angesprochen, fällt das nicht in die Belastungssteuerung und damit in den Verantwortungsbereich des Trainers?
Dr. Stefan Fleckenstein: Natürlich obliegt die Trainingsplanung dem Trainerteam. Trainer Jochen Seitz, steht allerdings in engem Austausch mit uns. Wir unterstützen ihn mit unserer medizinischen Einschätzung über den Gesundheits- und Fitnesszustand der Mannschaft. Zu diesem Zweck werten wir den Zustand der Spieler mittlerweile auch anhand von Daten aus, die wir über eine APP sammeln. Dieses Projekt hat Manuel Bachmann initiiert.
Manuel Bachmann: Die App sammelt Selbsteinschätzungen der Spieler vor und nach der Trainingseinheit. Etwa wie der Spieler geschlafen hat, wie er sich fühlt und wie anstrengend er die Trainingseinheit empfunden hat. Aus diesen Angaben, aus den regelmäßig erhobenen Fitnesswerten, und der Belastungsintensität berechnet die App einen Wert, der es uns ermöglicht, sehr genau einzuschätzen, welcher Spieler eine Verletzung riskiert und welche Spieler stärker belastet werden können. Aktuell prüfen wir die Einführung eines Brustgurt-Systems, mit dem die Laufdaten der Spieler aus Trainingseinheiten und Spielen noch genauer erfasst werden können.
Schauen wir auf den bisherigen Saisonverlauf. Die Viktoria steht nach 13 Spieltagen auf dem 6. Tabellenplatz der Regionalliga Bayern, was - verglichen mit der letzten Saison - sehr gut ist. Auch weil weniger Verletzte zu beklagen sind? Wie sieht der medizinische Zwischenstand aus?
Dr. Stefan Fleckenstein: Tatsächlich haben sich weniger Spieler im bisherigen Saisonverlauf schwer verletzt. Wir beobachten erfreulicherweise auch, dass es in dieser Spielzeit bisher weniger Verletzungen ohne Gegnereinwirkungen gibt. Außerdem freuen wir uns, dass die langzeitverletzten Hamza Boutakhrit und Marco Fritscher wieder auf dem Platz stehen und hoffen, dass auch durch unsere Unterstützung der Verein in die Lage versetzt wird, sowohl in der Jugendarbeit aber auch bei der ersten Mannschaft den nächsten Schritt zur Professionalisierung gehen zu können.